Die Ursprünge des größten Teils der heute bekannten Kampfkünste (seien es Kung Fu, Tae-Kwon-Do, Karate, Kempo) lassen sich nach China bis ins neunte Jahrhundert zurückverfolgen und weisen eine
starke Verwandtschaft auf. Es gibt allerdings auch Vermutungen, dass die Wurzeln noch weiter in die Vergangenheit reichen und sich bis nach Indien bzw. sogar nach Griechenland ziehen.
Von China aus, wo das Kung-Fu in verschiedenen Stilrichtungen und Spielarten bereits weit entwickelt war, gerieten Elemente dieser Kampfkunst über wirtschaftliche Kontakte nach Okinawa, einem
ursprünglich von Japan unabhängigen Inselstaat südlich von Japan. Dort vermischten sich die überlieferten Techniken mit einer einheimischen Form der Selbstverteidigung. Auch Elemente aus japanischen
Kampfkünsten fanden Eingang in diese neue Form.
Aus geographischen Gründen sind die Menschen in Nord- und Südchina körperlich sehr unterschiedlich entwickelt (Größe, Statur,...) und vor diesem Hintergrund und den örtlichen Gegebenheiten (felsig,
sumpfig,...) entwickelten sich die Techniken sehr unterschiedlich. Aus diesem Grund finden sich im koreanischen Tae-Kwon-Do (ein Derivat aus nordchinesischen Stilen) überwiegend lange, hohe (Bein-)
Techniken. Demgegenüber sind in den aus südchinesischem Boxen entwickelten Stilrichtungen in der Anwendung so gut wie keine Beintechniken oberhalb der Gürtellinie zu finden (da es bei kniehohem
Wasser einfach nachteilig ist, dem anderen zum Kopf treten zu wollen...)
Auf Okinawa fanden sich Kontakte sowohl mit Nord- als auch Südchina und die Unterschiede zwischen den Stilen spiegelten sich in den Schulen auf Okinawa wider, je nachdem woher der jeweilige Meister
seine Kenntnisse gewonnen hatte. Mit der Zeit kam es auch zu Durchmischungen, weshalb es heute eine Vielzahl von Stilen gibt, die aber letztlich dieselbe Kampfkunst mit unterschiedlichem Schwerpunkt
darstellt.
Im Laufe der Zeit wurde auch auf Okinawa zunehmend an diesen Künsten geforscht und neue Erkenntnisse stellten sich ein. Zeitweilig wurden diese Künste durch die japanische Besatzungsmacht verboten
und nur noch im Geheimen gelehrt und gelernt. Die Okinawaner fügten ein wesentliches weiteres Element hinzu: „Kobudo“, der Kampf mit traditionellen Waffen, die eigentlich Alltagsgegenstände waren und
so unauffällig transportiert und trainiert werden konnten. Darunter finden sich verschieden lange Stöcke, die als Spazier- oder Wanderstab genutzt und getarnt werden konnten, aber auch Dreschflegel
(Nunchaku), Haarklammern (Sai) und Sensen verschiedener Größen.
Eine der traditionellen Kobudo-Waffen hat auch Eingang in die heutige Polizeiwelt gefunden: das wie ein Schlagstock mit zusätzlichem, um 90° abgewinkelten Griff aussehende Tonfa, das eigentlich dazu
diente, einen mit radialen Löchern versehenen Mühlstein zu drehen. Die Techniken, die für diese Waffe entwickelt wurden, finden sich im waffenlosen Kampf wieder und sind sehr effektiv.
Nach jahrhundertelanger Entwicklung in China und auf Okinawa wurden die Japaner schließlich auf die Vorzüge des im 19. Jahrhundert bereits „Kara-Te“ („Fremde“ oder „China“-“Technik“ bzw. -“Hand“)
aufmerksam. Funakoshi Gichin, mitunter als „Vater des modernen Karate“ bezeichnet, führte sein Können in den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts zusammen mit Schülern vor dem japanischen Königshaus im
Rahmen einer Feier vor und begeisterte die Herrscherfamilie. Bald darauf wurde Karate an japanischen Schulen eingeführt. Aus Gründen des nationalen Stolzes wurde das System allerdings bei gleicher
Lautsprache in den Schriftzeichen von „Kara“ = China auf „Kara“ = „leer“ umbenannt. Die japanische Natur, alle Dinge zur Perfektion und zur Kunstform (dem Weg = „Do“) zu treiben und eine
entsprechende Philosophie zu unterlegen, machte Karate weitgehend zu dem, was es heute ist. Insofern ist das „japanische Karate“ erst rund einhundert Jahre alt.
Es blieben allerdings auch Dinge auf der Strecke: Man entwickelte aus dem zur reinen Selbstverteidigung gedachten System (der über Formen weiter vermittelt wurde) einen Sport mit einem restriktiven
Reglement. Zwar konnten sich nun zwei Kontrahenten miteinander „gefahrlos“ messen (was letztlich zur weltweiten Verbreitung des Karate führte), dafür hatte man die Kampfkunst in ihren Inhalten und
ihrer Effizienz gewissermaßen „kastriert“. Die Nachwirkungen dieses Prozesses spüren wir noch heute, denn viele der überlieferten chinesischen Formen müssen heute mühsam entschlüsselt werden. Dabei
ist die Tiefe und Vielfalt der Erklärungen (von verschiedenen Anwendungen über energetische Betrachtungen wie in der Akupunktur zu mythologischen Betrachtungen der dargestellten chinesischen Tiere)
derart groß, dass viele Informationen wohl bereits für immer verloren sind.
Unsere Stilrichtung, das „GoJu-Ryu Karate-Do Yuishinkan“, ist eng mit unserem höchsten deutschen Meister, Fritz Nöpel, verbunden. Er verließ Deutschland 1954 für eine Reise zu den Olympischen Spielen
1956 in Melbourne, Australien. Man mag sich fragen: 2 Jahre für eine solche Reise? Selbstverständlich, wenn man mit dem Fahrrad unterwegs ist!
Die Reise führte durch 27 Länder, u.a. China, Hongkong und Taiwan, wo er die ersten Begegnungen mit Kampfkünsten hatte.
Glücklicherweise kam er nie in Australien an, denn in Osaka, Japan, traf er auf Sensei T. Kisaki, in dessen Dojo er trainieren durfte (als Ausländer sicher keine Selbstverständlichkeit!). Hier
trainierte er (mit Pausen) 13 Jahre lang und kehrte 1967 mit seiner japanischen Frau nach Deutschland zurück, kurz nachdem er bei Sensei Kisaki die Prüfung zum 4. Dan abgelegt hatte.
Nachdem sich das GoJu-Ryu Yuishinkan in Deutschland verbreitet hatte, machte ich 1985 im Alter von nicht ganz 13 Jahren in Glücksburg / Ostsee bei Flensburg meine ersten Erfahrungen mit dieser Kunst.
Mein Meister Johannes Jacobsen trug damals noch einen Braungurt und vermittelte einer eifrigen Truppe von rund 10 Jugendlichen Selbstdisziplin und Körperertüchtigung.
Als ich 1992 Flensburg verließ um in München zu studieren, hatte ich mich ebenfalls bis zum Braungurt weiter entwickelt.
Ein Jahr später fanden sich einige Schwarzgurte aus Kiel im Wiker Sportverein zusammen, um ihr Training, das ursprünglich in der Sportschule Shinau in der Gerhardstraße begonnen hatte, in der Schule
am Sonderburger Platz fortzusetzen. Diese Truppe war durchaus hochkarätig: neben einer beachtlichen Anzahl an Mitgliedern sowohl in der Erwachsenen- als auch der Kindergruppe fanden sich, als ich
1996 zum Dojo hinzustieß, nicht weniger als vier Schwarzgurte in ihren Reihen: Anna Klein, Lothar Prusch, Ekki Dallmeyer und Jan Huuk. Da ich während meines Studiums zwar meine Kenntnisse erhalten
aber aus Zeitgründen nicht ausbauen konnte, stieß ich als Braungurt zu dieser Truppe hinzu. Bald darauf ging die Riege allerdings aus persönlichen Differenzen auseinander (ich glaube allerdings
nicht, dass ich hier ausschlaggebender Faktor war...) und spaltete sich auf: Anna kehrte dem Karate den Rücken, Lothar und Ekki gingen mit einem Teil der Mitglieder zurück in die Shinau und Jan Huuk
verblieb in der Wik.
In der folgenden Zeit begleitete mich Jan auf meinem Weg zum Schwarzgurt. Als ich dann im Sommer 1998 mit Jans Hilfe diesen Schritt geschafft hatte, erkor mich Jan zu seinem „Co-Trainer“ und wir
teilten das Training gleichberechtigt auf.
Wiederum aus persönlichen Gründen und laut eigener Aussage aus Mangel an Zeit verließ Jan Huuk das Dojo bald darauf. Nun lag die Entscheidung bei mir: das Dojo eingehen lassen oder es weiterführen?
Ich sah meine Verpflichtung, die motivierten Karateka der Abteilung auf ihrem Weg zu begleiten und beschloss, die Dojoleitung zu übernehmen. Aus zeitlichen Gründen gaben wir die Kindergruppe auf und
führten das Training zusammen. Nach einiger Zeit war allerdings – auch durch das Fehlen von Jans ungeheuer großem Engagement in der Kinderarbeit – die Teilnahme der jüngsten am Training weitgehend
beendet.
Jan eröffnete allerdings seitdem drei neue Dojos, von denen er eines zur Zeit noch selbst leitet (in der Sportschule Yawara).
Nachdem wir in den vergangenen Jahren einen spürbaren Schwund der Mitgliederzahl zu verzeichnen hatten (Schüler und Studenten verlassen nun mal nach einiger Zeit ihren Studien- oder Schulort) und der
Nachwuchs ausblieb, beschlossen wir vor zwei Jahren, wieder eine Kindergruppe einzurichten. Diese floriert zur Zeit recht gut; knapp ein Dutzend Kinder steht jeden Montag mit großen Augen vor mir und
/ oder Ralf Asmussen und möchte lernen, was es mit Karate auf sich hat.
Allerdings – und hier kenne ich die Hintergründe nicht – ließen die Erwachsenen in ihrer Trainingsmotivation in den letzten eineinhalb Jahren deutlich nach. Neu hinzugekommene Mitglieder sowie der
beständigste Stamm der Mitglieder hat mir zwar bestätigt, dass dies nicht am Training liege, aber von den übrigen ist kaum ein Feedback zu bekommen...
Da ich ab Oktober 2004 in Hamburg beschäftigt sein werde, kann ich nur noch das Freitags-Training übernehmen. Mit Björn Nielsen, einem Schwarzgurt, der nach seiner Flensburger Zeit ebenfalls in der
Shinau trainiert hat, habe ich allerdings einen erfahrenen und versierten Trainer, der sich zur Übernahme der übrigen Trainingseinheiten bereit erklärt hat, nachdem die Shinau ihre Karate-Gruppe vor
kurzem aufgelöst hat.
Unabhängig davon lässt sich im Wesentlichen nur Trainingsalltag berichten: Nachdem Thomas Asmussen über einige Jahre der einzige unserer Sparte war, der (aus eigenem Interesse) an Wettkämpfen
teilgenommen und bis zur Teilnahme an der Deutschen Meisterschaft gekommen ist (als Vize-Landesmeister) ist das Wettkampfgeschehen bei uns wieder beendet. Ich selbst bin ein Vertreter des
traditionellen Karate und der Selbstverteidigung, in diesem Zusammenhang ist die Einschränkung durch Wettkampfregeln eben hinderlich.
Ansonsten finden regelmäßig zahlreiche Lehrgänge sowohl in Schleswig-Holstein und Hamburg sowie in anderen Bundesländern statt (demnächst werde ich zu einem Lehrgang an den Ammersee reisen; aber auch
Lehrgänge in Japan und auf Mallorca sind im Angebot) und der Facettenreichtum ist dermaßen groß, dass ich auch die kommenden vierzig Jahre keine Möglichkeit für Langeweile sehe.
Nils Christiansen
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